Die Gärtner & Gärten Filmreihe beim Frankensteiner Filmfestival

Die Video-Essay-Reihe „Die Gärtner und ihre Gärten“ ist der diesjährige Gewinner des Frankensteiner Filmfestivals, einer Kooperation der Klosterpresse Frankfurt, der Eulengasse Frankfurt und des Filmforums Höchst. Am 2. November 2013 um 18 Uhr findet die Vorstellung des Projekts in der Klosterpresse statt.
Die Filmemacherinnen laden dazu herzlich ein!

Unser Statement
Dokumentaraufnahmen haben einen breiten Ansatzhorizont: von neugierig-kontrollierenden Frames im Supermarkt, bis zur bunt gefärbten Selbstdarstellungen in sozialen Netzwerken. Die Filmreihe „Die Gärtner und ihre Gärten“ hätte ein Überwachungsprodukt sein können, doch sie beabsichtigte keine geheime Beobachtung. Stattdessen stellte sie sich vor dem Beobachteten und forderte: „Rede mit mir“. Gewiss hat die Reihe etwas von einer Selbstdarstellung. Dabei verband sich der Wunsch der Demonstration mit einem Laden-Bewusstsein: Durch die begleitende Beobachtung und durch das Im-Film-Reden sollten die Teilnehmer des urbanen Gärtnern-Projekts sich besser verstehen, die Spielregeln des eigenen neuen Ladens in der ausgedehnten Perspektive des Films sehen können.

Die Urban Gardening Bewegung explodierte in diesem Jahr in Frankfurt. Die Kritik sieht sie als eine Modewelle, die den Bio-Produkte-Konsum zu einem verspielten urbanen Lifestyle stilisiert. Verwickelt die Kamera einen gärtnernden „Konsumenten“ ins Gespräch, entstehen daraus Porträts der urbanen Gärtner und der von ihnen gezogenen Pflanzen. Bei dieser sprechenden Verfilmung wird ein Verhältnis zwischen dem Menschen und seinen Pflanzen sichtbar, das viel reicher ist als das Konsumieren der einen durch den anderen.

Die Filme selbst wurden bewusst konsumierbar gemacht: durch die Kunst-Angriffe wie Musik, durch die Montage, die die Spannung steigert, durch die erzählenden Essays. Denn Konsum ist nicht nur Verbrauch, sondern auch Kommunikation. Und diese sorgt letztendlich dafür, dass das städtische Klima prickelnd bleibt.

Wie das Wohnzimmer Ginnheim sich dem gemeinschaftlichen Gärtnern öffnete

Das Private gehört – nach den Berichten aus dem Medienwald – zu den aussterbenden Arten, die es zu schützen gilt. Aus den engen Sträßchen von Ginnheim gesehen ist das Private dagegen ein großes Wohnzimmer, dessen Raum verriegelt ist. Kein Wunder, dass ihre Bewohner, von der eigenen Privatheit verengt, nach einer Öffnung suchen. Zum Beispiel, indem sie gemeinschaftlich gärtnern.

Sybille Fuchs und Jan Jacob Hoffmann öffneten dadurch sogar das große Wohnzimmer Ginnheim. Angespornt und unterstützt durch die Ausstellungsreihe „Stadtlabor unterwegs“ des Historischen Museums Frankfurt, die diesmal im Stadtteil Ginnheim lief, überlegte das Ehepaar, ein urban gardening Projekt hier zu realisieren. Dem ursprünglichen Plan nach sollte der Garten auf einem der Parkplätze, einem Brachfeld oder einer Verkehrsinsel angelegt werden: Diesem Schema wird in Deutschland am meisten gefolgt. Während der Suche verband sich aber der bis dahin abstrakte Wunsch nach dem öffentlichen Gärtnern mit den konkreten ortsbezogenen Gedanken. Daraufhin wurde beschlossen, einen mobilen urbanen Garten auf dem Kirchplatz anzulegen.

Der eigene private Garten des Ehepaars lieferte wichtige Anstöße dazu. 2010 zogen Sybille Fuchs und Jan Jacob Hoffmann nach Ginnheim. Trotz der sichtlich dörflichen Umgebung war die Situation unmittelbar um das Haus typisch urban: enger Raum, Asphalt, versiegelter Boden. Da beide einen Garten wollten, haben sie die Pflaster entfernt, die Fläche um das Haus durch die Hoch- und Blumenbeete, sowie durch die Obstbäume begrünt und gestaltet. Ein Dachgarten rundet die auf den unterschiedlichen Höhen liegende kompakte Gartenanlage ab.

Dem Entwurf für den Gemeinschaftsgarten ging eine innerfamiliäre Diskussion voraus. Sybille, der die Idee des Gärtnerns gehört, wollte einige wenige Gabionen auf dem Platz aufstellen und damit – wie mit einem Kunstwerk in der Öffentlichkeit – Impulse für das Wiederbeleben der Gartentradition in Ginnheim setzen. Jan Jacob wurde dagegen von einem „städtebaulichen Problem“ angetrieben: der Unfähigkeit der Ortsmitte, des Ginnheimer Kirchplatzes also, ein kommunikatives Zentrum der Gemeinde zu sein. Er schlug vor, 30 Gabionen aufzustellen – wenn kein Café für alle, dann zumindest das Gärtnern für viele. Er entwarf auch das Rahmenprogramm mit Abendvorträgen: „Gedacht ist an eine Atmosphäre zwischen Stadtteilfest, Wohnzimmer-Lounge und Diskussionsrunde. Hier können Vortragende, Moderatoren und Publikum ins Gespräch miteinander kommen und Ideen, Ansichten und Utopien zum Stadtteil Ginnheim austauschen. Zentral dabei ist der Gedanke, dass der öffentliche Raum temporär gemeinschaftlich genutzt wird“. Hat die Idee von Sybille Fuchs also verloren? Mitnichten. Sybille ist eine „Zentrale“ für die Kommunikation rund um den Garten. Durch eine der kleinen grünen Plaketten, die die Gabionen zieren, spricht sie – frei nach Joseph Beuys – den Gartenbesucher an: „Jeder Mensch ist ein Gärtner oder der erweiterte Gartenbegriff“. Schließlich klingt der Name „Kirchplatzgärtchen“ viel stärker nach einem dörflichen Ambiente als nach einer theoretisierenden Diskussion.

Es gibt in der Ginnheimer Urban-Gardening-Kampagne ein Thema, in der die Koalition Fuchs & Hoffmann den größtmöglichen gemeinsamen Nenner gefunden hat. Das ist das ironische und artistische Bild des „Wohnzimmers Ginnheim“. Als Jan Jacob den Titel der Ausstellung „G-Town. Wohnzimmer Ginnheim“ des Historischen Museums hörte, dachte er: „Ist das fies! Ist das gemein! – Weil es die Sache so genau trifft.“ Darauf dachten die beiden: „Ja, das könnt ihr kriegen!“ Für die Veranstaltungen auf dem Platz besorgten sie gepolsterte, altmodische und durchaus gemütliche Möbel und schufen dadurch eine mobile private Wohnzimmer-Lounge für die öffentlichen Gespräche auf dem Kirchplatz.

Die Kuratorin der Ausstellung, Sonja Thiel, machte aktivst mit. Oder genauer: Sie tat viel dafür, dass das Kirchplatzgärtchen samt Rahmenprogramm als ein Teilprojekt der Ausstellung „G-Town. Wohnzimmer Ginnheim“ realisiert wurde. Die „Teilhabe“ – ein Schlüsselbegriff für das Historische Museum Frankfurt – wurde in Ginnheim zu 200 % erfüllt: mit je 100% für jede Seite.

Stadtlabor unterwegs: Wie das Wohnzimmer Ginnheim sich dem gemeinschaftlichen Gärtnern öffnete from historisches museum frankfurt on Vimeo.

Gartengeschichten von Uli Zimmermann

Die Gärten von Uli Zimmermann lassen einiges an Zeitgeist durchschimmern. Wenn er in zwei Einkaufswagen an der Südseite eines Mehrfamilienhauses Gemüse zieht, dann macht er das nicht nur, um frische Tomaten zusammen mit seiner Freundin Anne Kahn zu genießen, sondern um mit den bepflanzten Einkaufswagen demonstrieren zu können. Wenn er Kohle und Hänchenknöchelchen in die Erde einarbeitet, denkt er sicherlich an die Verbesserung des Bodens. Gleichzeitig gibt dieser Boden die Struktur der Schwarzerde aus dem Regenwald („Terra Preta“) wieder, über die die ökobewussten Alternativzeitungen berichten. Und wenn er schließlich seinen Sonnenofen – der stand am Anfang der Gartenidee – in der Nähe vom Bürgersteig aufstellt, dann wird es in drei Stunden ein Mittagessen geben. Doch wichtig ist dabei, dass während dieser drei Stunden CO2-frei gekocht bzw. gebacken wird.

Das öko-logische, autarke Modell gibt also Uli Zimmermann, wie auch vielen Gärtnern von heute, die Impulse zum Gärtnern in der Stadt. Nicht jedem Zeitgenossen ist es jedoch gegeben, so wie Uli diese Ideen zu erzählen. Man fühlt nach, wie sich die Pflanzen über die neue „Terra Preta“ freuen, wo früher die ausgebrannte Erde der Platensiedlung lag. Der Tomatenwald in den Einkaufswagen in Begleitung von Gurkenpflanzen, die sich um das Gelände vom gemeinschaftlichen Keller winden, zeigt sonnenklar, dass es sich dabei um ein Garten-Werk eines Frankfurter Originals handelt.

Taucht man in diesen erzählerischen Ozean, kommt eine andere Zeit zum Vorschein: Hier, auf dem Boden der Erinnerung, liegt die gärtnerische Parzelle der Nachkriegszeit, von der sich Uli mit seiner Mutter ernährte. Die Ringelblumen im urbanen Gärtchen Uli Zimmermanns sind versteckte Zeichen der Wiederkehr der alten Zeit. Die Kartoffeln im Betonbottich mitten in der Straße – also im jahrelang vernachlässigte Straßenmobiliar der Siedlung – stehen für etwas, was Uli auch von seiner Mutter erbte, was jedoch gegenwärtig, nicht sehnsüchtig ist: Es ist das Gefühl der Verantwortung für das wenige Grün, das man in der Stadt vor Augen hat.

Und da gibt es noch eine Dimension der Gartengeschichten von Uli Zimmermann. Die ist am stärksten dort zu erfahren, wo es um die kleinsten Gartenformen, wie z. B. eine Gabione, geht. Es sind Geschichten über das – enge – Zusammenleben verschiedener Pflanzen und Menschen: Novellen über den selbstbewussten Kohl, der die herumwachsenden Konkurrenten platt zu drücken vermag; Detektivstorys über die Tomatenstauden, die von unbekannten Garteninteressierten aus seiner Gabione auf dem Kirchplatz professionell und sauber ausgegrabenen wurden; Berichte über die Tomaten, die, von Früchten beschwert, auf die Ränder der Einkaufswagen ihre Zweige legen.

Stadtlabor unterwegs: Gartengeschichten von Uli Zimmermann from historisches museum frankfurt on Vimeo.

Mein Garten spiegelt meine Seele wider

Die Ausstellung im TSV Ginnheim ist abgebaut, das Urban-Gardening-Projekt auf dem Kirchplatz geht weiter. Und wir setzen mit dem Film „Mein Garten spiegelt meine Seele wider … “ die Reihe Die Gärtner und ihre Gärten fort.

Ein selbstorganisierter City-Garten hört auf die Domäne der Stadtplanung zu sein, hier bestimmen die Teilnehmer. Durch sie fließen auch die Gewohnheiten, wie man für sich gärtnert, in das Projekt rein. Das Ginnheimer Kirchplatzgärtchen befindet sich in einer Umgebung, in der während der Nachkriegszeit viele Kleingartenvereine gegründet wurden. Im Gespräch mit Eveline Krönung haben wir dieser Verbindung nachgespürt.

Den Kleingarten übernahm Eveline Krönung zusammen mit ihrem Mann in den 1980er Jahren von den Schwiegereltern. Für die alten Besitzer war der Kleingarten ein Raum, mit dem die Städter ihre Ernährungslage zu verbessern suchten. Für die neue Generation war er darüber hinaus ein Refugium. Der ursprüngliche Nutzgarten entwickelte sich nach und nach zu einem privaten städtischen Küchen- und Erholungsgarten, der mehr individuell, stylisch und offen wurde als sein Vorgänger aus der Nachkriegszeit. Urbaner geht es hier auf jeden Fall: Die Lieblingsgurke von Eveline Krönung ist ein Produkt der so genannten Erdsackkultur: Sie wächst unmittelbar aus dem Sack.

Gewiss führt nicht jeder Weg von einem Klein-Traum-Gaten direkt zu einem gemeinschaftlichen Draht&Dosen Gartenprojekt. Doch Evelin Krönung mag und kann beides. Zwar ist die Zusammensetzung ihrer öffentlichen Gabione aus den Nutzpflanzen und Blumen dieselbe wie in ihrem Kleingarten. Doch auf dem Kirchplazt gärtnernd, denkt sie daran, mit den Sprösslingen aus dem eigenen Garten einen öffentlichen Ort zu veredeln und zu beleben. In ihrem Kleingarten spiegelt sich ihre Seele wider. In ihrer Gabione schlägt sich ihre städtische Vitalität durch.

Vom Kindergarten zum Urban Gardening

Wir starten heute die Filmreihe „Die Gärtner und ihre Gärten“, die die Pflanzen und die Gesichter des Urban Gardening Projekts, des Kirchplatzgärtchen in Ginnheim zeigt. Die Reihe ist nicht nur eine Dokumentation eines öffentlichen Gartenprojekts. Sie ist eine Erzählung über die Gedanken und Gefühle, die Menschen zum Gärtnern in der Stadt treiben.

Die jüngsten Gärtner sind zuerst an der Reihe:  Im Film „Vom Kindergarten zum Urban Gardening“ hantieren die Kinder aus dem KIZ am Wiesenrain an ihrer Gabione.
Aus dem Fachlexikon: „Zahnlücken“ sind Kids im Vorschulalter. Und wenn sie vor der Kamera schön lächeln wollen/sollen, singen sie: „A-aa-meeisen-scheeei-ßße“.
Viel Spaß, Eure Ljudmila Belkin und Alexandra Vetter

Stadtlabor unterwegs: Vom Kindergarten zum Urban Gardening from historisches museum frankfurt on Vimeo.